Freitag, 24. Februar 2012

Euro-Krise: Fünf Probleme, keine Lösung

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Abwarten und Tee trinken - Da sich die Rettung Griechenlands nicht in absehbarer Zeit bewältigen lässt, sollten Anleger die Entwicklung zunächst beobachten, statt vorschnelle Entscheidungen zu tätigen.

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Hat Griechenland vor dem Beitritt zur Euro-Zone gepfuscht? „Das glaube ich nicht.“ Werden die Steuerflüchtlinge nach Griechenland zurückkehren? „Die meisten von ihnen werden zurückkehren.“ Gibt es in Griechenland eine anti-deutsche Stimmung? „Es gibt keine anti-deutschen Gefühle.“ Die Fragen kamen am 15. Februar von Mitgliedern des Internationalen Clubs Frankfurter Wirtschaftsjournalisten, die Antworten vom griechischen Wirtschaftsminister Michalis Chrisochoidis. Als der schließlich auf den eventuellen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone angesprochen wurde, reagierte er pikiert und fügte hinzu: „Wir müssen diese Diskussion vermeiden.“
Einige Tage später äußerte sich Bosch-Konzernchef Franz Fehrenbach in einem Manager Magazin-Interview ganz anders: „Griechenland hat den Euro bekommen, weil Wirtschaftsdaten manipuliert wurden. Dieser Staat mit Phantomrentnern und reichen Nichtsteuerzahlern, ein Staat ohne funktionierende Verwaltung, hat in der Europäischen Union nichts zu suchen. Das griechische System ist marode.“ Chrisochoidis war auf Werbetour für Investitionen deutscher Unternehmen in Griechenland, und Fehrenbach wählte seine Worte ganz gewiss mit Bedacht. Aber wie reimt sich das zusammen?

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Fünfte Baustelle: Zusätzliche Grausamkeiten für die Griechen
Die durch drastische Spar- und Reformauflagen bereits heftig traktierten Griechen müssen sich zudem auf neue Grausamkeiten einstellen. Dass sie auf diesem Kurs noch weiteres leisten müssen, das haben ihnen die Partner schon angedroht. Zudem fordern die Geldgeber mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze, dass sich alle wichtigen politischen Kräfte des Landes verpflichten müssen, diesen Kurs mitzutragen. Mehr Geld gibt es nur gegen entsprechende Eigenbeiträge, lautet die Logik. Allerdings gewinnt inzwischen auch die These Anhänger, nicht zuletzt beim IWF, dass mehr getan werden muss, um Griechenland wieder auf den Wachstumspfad zu führen und dessen Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen - etwa mit noch verfügbaren Mitteln aus den europäischen Strukturfonds.

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1600 Euro Schmiergeld pro Familie und Jahr
Bei solchen Fragestellungen hilft oft der Blick in die Vergangenheit, hier besonders auf einen Beitrag des Journalisten Alexandros Stefanidis im Süddeutsche Zeitung Magazin vom 5. Februar 2010. Er hat Geschichte geschrieben und ist auch heute noch wert, auszugsweise zitiert zu werden: „Schon unsere Haushaltsdaten haben wir schöngerechnet. Wir sind der einzige Euro-Staat, der die Stabilitätskriterien noch nie eingehalten hat. 1.600 Euro Schmiergeld zahlt eine griechische Familie durchschnittlich pro Jahr. Wir sind unregierbar. Unser Staat ist unser natürlicher Feind. Was Griechenland neben einem Sparplan braucht, ist ein grundlegender Mentalitätswandel.“
Berechtigte Frage: Wie lässt sich ein Mentalitätswandel erreichen? Ganz bestimmt nicht durch Rettungspakete wie das vom Wochenbeginn, weil es mehr den Banken als den griechischen Bürgern hilft. Eher schon durch eine groß angelegte Aktion nach dem Vorbild des Marshallplans, mit dessen Hilfe die Wirtschaft von 16 europäischen Ländern, darunter die der Bundesrepublik Deutschland, nach dem 2. Weltkrieg wieder funktionsfähig gemacht wurde? Der Vergleich mit damals hinkt. Denn der Marshallplan hatte praktisch nur einen Geber, die USA, und 16 Nehmer, während es im Fall Griechenland eher umgekehrt ist: theoretisch 16 Geber und ein Nehmer. Abgesehen davon bauten die USA mithilfe des Marshallplans seinerzeit einen Schutzwall auf, um nicht zu riskieren, dass ein wirtschaftlich schwächelndes Europa in den Einflussbereich der Sowjetunion geriet. Dagegen ist beim jetzigen Euro-Kuddelmuddel zu keinem Zeitpunkt klar, wer gerade einen Schutzwall gegen wen errichtet.

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Montag, 27. Februar
Der Deutsche Bundestag stimmt über das Rettungspaket für Griechenland ab. Der Bund der Steuerzahler hat die Parlamentarier aufgefordert, weitere Griechen-Hilfen zu verweigern. In einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte Verbandspräsident Karl Heinz Däke: „Beim zweiten Griechenland-Paket sind die Steuerzahler einmal mehr die Verlierer.“ Dennoch dürfte die Zustimmung reine Formsache sein. Spannend ist nur, ob die Bundesregierung die psychologisch wichtige Kanzlermehrheit erreicht.

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Die Krise schaukelt sich weiter auf
16 Geber müssen sich nicht nur untereinander einigen, um Griechenland wirkungsvoll helfen zu können, sondern sie brauchen auch die Rückendeckung durch die aus der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds bestehende Troika. Dass es unter diesen Umständen nicht zu einer wirklichen Einigung kommen kann, liegt auf der Hand. Und so wird die Krise sich weiter aufschaukeln: Zunächst müssen die Parlamente einiger Euro-Länder, auch Deutschlands, das jüngste Rettungspaket für Griechenland verabschieden. Danach entscheidet der Internationale Währungsfonds über seinen Rettungsbeitrag. Noch im März muss Griechenland alte Schulden zurückzahlen, und im April soll ein neues griechisches Parlament gewählt werden, das die Zusagen des alten vielleicht gar nicht akzeptieren wird – womit der nächste Verhandlungsmarathon beginnen würde.
Fünf Probleme
In welchem Umfang es sich bei all dem um ein europäisches Dilemma handelt, hat bereits kurz vor Weihnachten Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, wie folgt begründet: Die Euro-Krise wurde durch fünf ineinander greifende Probleme verursacht. Das erste besteht in steigenden Staatsschulden mitsamt der sie begleitenden fiskalpolitischen Kurzsichtigkeit, das zweite in wackeligen Banken, „die zu groß zum Scheitern sind“. Das dritte ist Panik nebst sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Das vierte entsteht aus der Kombination von Sparkurs und Schuldenfalle, das fünfte aus der fiskalischen Autonomie der Euro-Staaten und der schwachen europäischen Identität.

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Die Ratings der Schuldenstaaten im Sinkflug
Portugal war das zweite europäische Land, das die Ratingagenturen Anfang Juli auf Ramschniveau herabgestuft hatten. Nun hat Moodys die Kreditwürdigkeit um eine Stufe auf Ba3 abgesenkt. Zuvor hatte bereits S&P die das Rating von „BBB-“ auf „BB“ gesenkt. Auch Fitch die Bewertung des Landes von „BBB-“ auf „BB+“ herabgestuft. Der Ausblick sei negativ, Portugal habe keinen Status als Investment-Land mehr. Die Ratingagentur rechne damit, dass die portugiesische Wirtschaft 2012 um drei Prozent schrumpft.

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Anleger sollten abwarten und Tee trinken
In Anbetracht einer solchen Gemengelage graust es viele Anleger, die sich nun fragen, wie sie auf die Fortsetzung der Euro-Krise reagieren sollen. Am besten abwarten und Tee trinken? Ja, vorausgesetzt, sie verfügen über eine auf ihre persönlichen Verhältnisse angepasste Mischung aus Tages- und Bargeld, Gold und Silber, Aktien und einer selbst genutzten Immobilie. Es kann nämlich so kommen, dass die betreffenden Märkte ihre bisherige Richtung beibehalten, aber auch so, dass sie überreagieren, sobald das anhaltende Geplänkel mit Griechenland oder – viel schlimmer – eine Eskalation des Konflikts zwischen Israel und Iran einige Großanleger ganz nervös macht.

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Es ist nicht jedermanns Sache, geduldig so lange auf Überreaktionen an den Märkten zu warten, bis zum Beispiel Aktienkurse oder Edelmetallpreise nach oben aus- oder nach unten einbrechen. Doch wer sich gerade jetzt allzu mutig konträr verhält und den Geldeinsatz zu sehr auf die eine oder andere Anlage konzentriert, macht mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Fehler. Das gilt besonders für Anlagen in Staatsanleihen – es sei denn, sie dienen als Ersatz für Tagesgeld – und für überproportional hohe Investitionen in vermietete Immobilien, die zurzeit besonders en vogue sind.

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